Wie ich ins Lehrmittelbusiness eingestiegen bin.
Ich bin mir noch immer nicht sicher, ob ich mein Geld auch wirklich zurückerhalten werde. Investiert habe ich in Noël, Ivorer in Ghana, der ein Französischlehrbuch herausgeben will. Mit CD.
Noël habe ich im März kennengelernt, an der Grenze zur Elfenbeinküste. Wie viele Ivorer kam er damals nach Ghana – allerdings nicht auf der Flucht, sondern, um in Accra Schuhe zu kaufen und nach Abidjan zu importieren. Sein bisheriges Hauptbusiness, Matrosen der grossen Frachter in der Stadt herumzuführen, war eingebrochen.
In Accra traf ich Noël eine Woche später wieder, er war niedergeschlagen. Jemand hatte ihm sein ganzes Geld gestohlen – über 1000 Franken. Er fragte mich nicht um Hilfe, übernachtete an der Bushaltestelle, wollte arbeiten und nicht mehr zurück in die Elfenbeinküste.
Beim zweiten Treffen gab ich ihm etwas Geld und riet ihm, zu seiner Familie zurückzukehren. Irgendwer würde ihn sicher unterstützen, glaubte ich. Obwohl mir Noël schon damals erklärte, dass das nicht gehe, weil er der älteste Sohn der Familie und sein Vater tot sei. Noch immer suchte er Arbeit, realisierte aber auch, wie teuer die Miete eines Zimmers in Ghana war – man bezahlt mindestens ein Jahr im voraus.
Dann verlor ich den Kontakt zu Noël. Seine Nummern waren tot. Später hat er mir erzählt, dass er nach Abidjan zurückgefahren war. Dort war dummerweise gerade der offiziell nicht Krieg genannte Bürgerkrieg ausgebrochen. Noel konnte nicht in sein Quartier, hielt sich drei Tage ohne Essen in einem Bürogebäude eines Bekannten auf. Dann in einer Kirche. Irgendwann formierte sich eine Gruppe Leute, die mit erhobenen Händen durch Abidjan in ihr Quartier marschierte. Noël war mit dabei, sah die Truppen Ouattaras, die Franzosen, die Soldaten Gbagbos.
Im Mai kam Noël wieder nach Accra, ein Wirtschaftsflüchtling auf der Suche nach Arbeit. Im Krieg der kein Krieg war, war auch sein Internetcafé zerstört worden. Einmal hatten ihn Soldaten aus seinem Zimmer im Zentrum der Stadt geholt, den Kopf bedeckt, auf den Boden gelegt. Doch die Suche hatte nicht ihm gegolten. Mitte Mai rief er mich wieder an. Ich war froh, dass er lebte, doch ich hatte keine Zeit.
Im Juni sahen wir uns wieder. Noël unterrichtete Französisch an einer privaten Schule, für 60 Cedi, 35 Franken im Monat. Das ist auch in Ghana zu wenig zum Leben. Bei einem Ghanaer fand er gratis Unterschlupf.
Noël wollte kämpfen. Er wollte wieder hoch kommen, wieder anständig verdienen und seiner Familie die Miete bezahlen können. Seine Geschäftsidee war ein Französischbuch. Tagsüber unterrichtete er, nachts schrieb er von Hand sein Lehrbuch. In der Elfenbeinküste hatte er einst Englischbüchlein hergestellt und verkauft – ein gutes Geschäft. Doch für den Druck fehlte ihm nun das Geld.
Ich sollte und wollte investieren. Dachte mir, wir würden gemeinsam den billigsten Kopierer Accras finden, ich könnte sein Manuskript eintippen. Und als Noël von der Idee einer CD mit Beispielsätzen erzählte, fühlte ich mich im Element. Doch es kam anders. Meine Zusage hatte ihn beflügelt, er hatte bereits wenige Tage später einem Ghanaer den Auftrag gegeben, das Büchlein zu tippen und zu setzen. Das Geld brauchte er nun dringend. Ich war etwas wütend, weil ich nicht bezahlen wollte, bevor ich etwas gesehen hatte. Später verlor ich auch über den Druckauftrag die Kostenkontrolle. Nix mit spottbillig produzieren – es müsse gut aussehen, fand Noël. Deshalb die 22 A4-Seiten nur vorne bedruckt. Deshalb Spiralbindung. Meine zu Beginn gesetzte finanzielle Obergrenze reizte er aus. Ich gab ihm das Geld.
Am letzten Wochenende haben wir für die CD Noëls Stimme aufgezeichnet. Er liest sein Lehrbuch vor. Im Hintergrund hört man Kinder, Autos, zwei kiffende Rastas und einen Muezzin. Das tönt dann so:
Podcast: Download (Duration: 1:33 — 1.5MB)
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Im Juli war ich mit Noël in der Elfenbeinküste, auf Reportage. Er hat sich hervorragend um mich gekümmert, ich konnte bei seiner Familie übernachten und mit seinen arbeitslosen Cousins Rum trinken.
Wenn die 100 Franzbücher gedruckt sind, will Noël sie mit CD von Tür zu Tür verkaufen gehen. Für das dreifache des Produktionspreises. In einem Monat kriege ich dann mein Geld zurück. Das hat mir Noël versprochen.
Sehr schön! Warren Buffett quasi nur Hilfsausdruck.
Leider werden Lehrmittel nicht gerated. Doch ich tippe mal auf A*, also sicher keine Schrottpapiere.
Wenns ein Happy End gibt, sollten Sie die Geschichte verfilmen (lassen).
my own private hilfsprojekt. schön!
Für deine nächste Investition kannst du dir auch Hilfe holen:
Herzlich, Philip
ok…die linkintegration hat nicht optimal geklappt ;)