Benin: Paradies für Piraten?

Piraten vor der Küste Afrikas verortet man normalerweise im Osten, um Somalia. Doch an der Westküste des Kontinents mehren sich Angriffe auf Schiffe. Besonders in Benin – das Land droht zur Piratenhochburg zu werden.

Der Hafen von Cotonou dient vielen Zwecken: Frauen zerteilen und verkaufen frische Fische, auf hoher See von den Fischern in ihren urtümlichen Holzbooten gefangen, die gleich daneben angelegt haben. Moderne Kräne heben Container von Frachtschiffen. Auch die Marine hat ihre Basis hier.

Der Hafen ist Benins Lebensader – mehr als die Hälfte des Staatseinkommens stammt direkt oder indirekt aus Aktivitäten am Hafen. Aus seinem Büro blickt Clément Godonou direkt auf die Containerberge, er leitet den beninischen Zweig der italienischen Reederei Grimaldi. Und Godonou lobt den heimischen Hafen: «Captain, Sie kommen ins Paradies!», sage er den Schiffsführern seiner Reederei jeweils, wenn diese sich nach dem Zustand des Hafens erkundigten.

Doch das Paradies ist in Gefahr – Piraten haben sich breitgemacht. Vor Benins Küste kam es in diesem Jahr bereits zu rund 20 Angriffen. Die Zahl der nicht gemeldeten Piratenzwischenfälle wird auf nochmals so hoch geschätzt. Unterdessen wurden die Gewässer vor Benin als Hochrisikozone deklariert – das lässt die Versicherungsprämien in die Höhe schiessen.

Die Piraten greifen hauptsächlich Öltanker an. Kann sich die Mannschaft nicht rechtzeitig im Maschinenraum verschanzen, wird sie gezwungen, den Tanker in unbekannte Gewässer zu fahren. Dort wird das Öl auf ein Schiff der Piraten gepumpt, die Wertsachen der Crew werden geklaut und der Tanker wird wieder freigelassen. Das gestohlene Erdöl wird oft illegal weiterverarbeitet. Das hat Folgen für die Umwelt und die Sicherheit der Region. «Wo es Erdöl hat, gibt es immer Krach», sagt Clément Godonou schulterzuckend. Seine Reederei verfügt über keine Tankschiffe, doch die Piratenangriffe zwingen auch Grimaldi, die Sicherheitsvorkehrungen zu erhöhen.

Benins Marine besitzt vier Boote, sie liegen im Hafen vertäut. Zwei ältere, Geschenke von China, sind derzeit nicht seetauglich. Die beiden neuen haben die USA kürzlich gestiftet; die Defender-Boote haben eine Länge von etwa acht Metern. Wir unternehmen eine kleine Rundfahrt. Kaum hat das Boot den Hafen verlassen, wird es von den Wellen hin- und hergeworfen. Die Besatzung besteht aus vier Mann – so macht Benin Jagd auf Piraten.


Die Flotte von Benins Marine. Im Vordergrund: defektes chinesisches Boot, dahinter die beiden funktionierenden Boote aus den USA.

Der Oberkommandierende der Marine, Maxime Ahoyo, gesteht, man sei schlecht ausgerüstet. Vor allem wenn die Tanker mehr als 50 Kilometer vor der Küste angegriffen werden, seien die Schiffe der Marine zu langsam. «Die Piraten haben drei bis vier Stunden Zeit, um ungestört zu agieren», so Ahoyo. «Wir haben auch schon Notrufe erhalten und konnten nicht eingreifen.»

Die Piraten dagegen sind gut ausgerüstet, besser als die Marine. Sie attackieren mit Schnellbooten, oft von einem Basisschiff aus. Das Erdöl des entführten Schiffs pumpen sie in ein eigenes Tankschiff. Es gilt als sicher, dass die Piraten aus Benins Nachbarland Nigeria stammen, die Angreifer sprechen Englisch. In Benin und seinen anderen Nachbarländern dominiert Französisch.

Ölraub ist in Nigeria kein neues Phänomen. Normalerweise findet er aber an Land statt, im Nigerdelta, wo Pipelines angebohrt werden. Hinter den organisierten Banden stehen oft lokale Politiker oder Geschäftsmänner, die den Gewinn einstreichen. Das könnte auch vor Benin der Fall sein. Zumindest weist die Ausstattung der Piraten auf reiche Geldgeber im Hintergrund hin.

Im September 2012 haben Benin und Nigeria nun eine Zusammenarbeit vereinbart. Die nigerianische Küstenwache unterstützt Benins Marine. Doch die ist auch von sich aus aktiv geworden. So wurde vor dem Hafen Cotonous ein überwachter Warteraum definiert. «Wir fordern alle Schiffe auf, in dieser Zone zu warten, dort garantieren wir für die Sicherheit», sagt Maxime Ahoyo. Die Reeder reagieren ebenfalls, sie schützen ihre Schiffe etwa mit Stacheldraht. Die Crew wird angewiesen, beim Warten vor dem Hafen nicht mehr zu ankern. So handhabt es auch Grimaldi Benin, über die weiteren Massnahmen schweigt Clément Godonou sich aus.

Benins Regierung hat kürzlich drei neue Schiffe und zwei kleine Flugzeuge zur Sicherung der Küste bestellt. Man dürfe nicht zuwarten, so Marinechef Maxime Ahoyo: «Wir wollen nicht Verhältnisse wie in Somalia.» Man müsse sofort gegen die Piraterie vorgehen. Auch die UNO und westliche Staaten zeigen sich besorgt. Der UNO-Sicherheitsrat hat im Oktober angekündigt, man schicke eine Delegation, die herausfinden solle, wie man das Problem angehen könne. Und Frankreich hat mitgeteilt, man wolle die Küsten Benins, Togos und Ghanas sichern helfen – mit 10 Millionen Franken.

Entscheidend ist, dass die Länder Westafrikas die Piraterie gemeinsam bekämpfen sollten. Doch viele Staaten der Region sind politisch labil oder finanziell am Limit. Und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) konzentriert sich auf andere Probleme. So finden die Piraten immer eine Schwachstelle – in Benins Nachbarland Togo etwa. Oder weiter draussen, 100 Seemeilen von der Küste entfernt, wie bei der letzten Tankerentführung im Golf von Guinea. Dorthin kommt auch eine gut ausgerüstete Küstenwache nicht.

Der Radiobeitrag aus Benin:

Dieser Beitrag wurde am 11. November 2011 im «Echo der Zeit» von Schweizer Radio DRS ausgestrahlt.

Ein Boot sei immer auf Patrouille, sagte mir der Oberkommandierende der Marine. Als ich die Anlegestelle besuchte, lagen jedoch alle Boote im Hafen. Vor Ort waren auch chinesische Techniker, welche die Schiffe aus China wieder flott zu kriegen versuchen.

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