In Dakar wird weiterhin gegen Präsident Abdoulaye Wade demonstriert.
Fadel Barro (34) ist Sprecher der Bewegung «Y’en a marre!» (Jetzt reichts!). Er hat die Bewegung vor einem Jahr zusammen mit Freunden aus der Rap-Szene gegründet – als Reaktion auf die häufigen Stromausfälle in der Hauptstadt Dakar. Barro ist Journalist, seit zwei Monaten jedoch nur noch für die Gruppierung tätig.
«Y’en a marre» ergreift keine Partei für einen Präsidentschaftskandidaten. Doch sie will die Wiederwahl von Senegals Präsidenten Abdoulaye Wade verhindern. Vor zehn Tagen hat der Verfassungsrat im Senegal die Kandidatur Wades für eine dritte Amtszeit zugelassen, obwohl die Verfassung nur zwei Amtszeiten vorsieht.
Gemeinsam mit der M23-Bewegung, die vorwiegend aus Oppositionsparteien besteht, ruft «Y’en a marre» zu Demonstrationen auf.
Samuel Burri: Wird im Senegal nun demonstriert bis zu den Wahlen am 26. Februar?
Fadel Barro: Klar! Leider können wir gegen die politische Entscheidung des Verfassungsrates nichts anderes machen, als auf die Strasse gehen. Doch seit dem 23. Juni sind die Leute immer gekommen, wenn wir dazu aufgerufen haben. Deshalb ist die Opposition, M23, erst entstanden – dank uns von «Y’en a marre». Und wir werden unseren Kampf weiterführen!
Bei den Demonstrationen sind bereits mehrere Leute ums Leben gekommen. Sie setzen also noch mehr Leben aufs Spiel?
Leider hat der Präsident Abdoulaye Wade keine andere Antwort als Gewalt und Terror. Aber wir hören nicht auf, wir sind bereit, eine Kugel einzufangen! «Y’en a marre» ist ein Aufschrei – die Jugend Senegals will nicht mehr so regiert werden, wie die letzten 40 Jahre. Die Korruption, das Klientelsystem muss ein Ende haben.
Die Gewalt auf der Strasse kam aber auch von Jungen, welche Steine gegen die Polizei geworfen haben!
Wir von «Y’en a marre» demonstrieren friedlich. Haben Sie je Waffen gesehen bei einer Demo? Es gibt keine, auch keine Schusswaffen. Doch dann kommt die Polizei, und als Reaktion werfen einige Jugendliche Steine.
Der Sänger Youssou N’Dour engagiert sich weiterhin, obwohl seine Kandidatur nicht zugelassen wurde. Wie wichtig ist er für die Opposition?
Eigentlich ist er erst vor kurzem der Oppositionsbewegung beigetreten. In Europa dachte man bereits, er würde der nächste Präsident des Senegal (grinst). Dabei hätte er vielleicht fünf Prozent der Stimmen geholt. Seine Kandidatur half, die Aufmerksamkeit auf den Senegal zu lenken. Doch wir hatten schon vor Youssou N’Dour eine reiche politische Kultur hier.
Welches Problem muss der zukünftige Präsident des Senegal zuerst anpacken?
Der neue Präsident soll ein Senegal schaffen, in welchem es weniger Korruption gibt. Die politische Klasse muss ehrlicher werden und der Staat wieder funktionieren.
Die Opposition ist zersplittert – nur der Hass auf Präsident Wade vereint sie. Ist das nicht ein Problem?
Das Problem ist Wade. In Dakar hat er vieles neu gebaut, die Stadt sieht aus wie ein Werbeprospekt. Doch gehen Sie mal in die Banlieue! Dort fehlt es an Essen und Arbeit. Für viele Junge ist der Drogenhandel die einzige Perspektive.
Wade wird seine Kandidatur niemals zurückziehen…
Und wir werden niemals aufgeben.
Dieses Interview erschien in gekürzter Form im Magazin «Der Spiegel» vom 6. Februar 2012.
Derzeit ist es nicht einfach, in Dakar Leute der Opposition zu treffen. Die ganze Zeit stecken sie in Sitzungen und streiten sich über das weitere Vorgehen. Fadel Barro habe ich schliesslich um 22 Uhr nach einem Meeting von «Y’en a marre» in einem Privathaus getroffen.
So übrigens im Spiegel:
Eine Antwort auf „Aufschrei von Senegals Jungen“