Agathas Laden

Containershops stehen in Ghanas Hauptstadt an jeder Strassenecke.

Jeden Tag steht Agatha vor ihrem Container. Und jeden Tag fahre ich mit dem Velo daran vorbei. Fein säuberlich aufgereiht sind Konserven, Getränke, Waschmittel und vieles mehr. Reich wird sie damit nicht. Agathas halbjährige Tochter schläft derweil hinter dem Tresen.

Vor drei Jahren hat Agatha ihren Containerladen in der Hauptstadt Accra eröffnet. Für 700 Cedis (400 Franken) kaufte sie sich den Container. Die Fläche am Strassenrand, im Quartier Dzorwulu, mietet sie von der Besitzerin des Grundstückes dahinter. Ausgerechnet an einer ruhigen Quartierstrasse stellte sie den Container hin. Wieso? «Ich habe damals eben in der Nähe gewohnt.»

Morgens um 11 Uhr kommt Agatha zu ihrem Laden, nachdem sie den Haushalt erledigt hat. Dann bleibt sie bis 20 Uhr in oder vor ihrem Container. Er ist bemalt mit Werbung für das Malzgetränk «Malta» von Guinness. Das Ladenschild wurde gesponsert von einer nigerianischen Nudelfirma – «Agatha Ent.» steht darauf geschrieben. Im Fernseher des Containers laufen meist nigerianische Filme oder südamerikanische Telenovelas. Sonntags bleibt der Container geschlossen.

Abends, wenn die Leute von der Arbeit heimkommen, läuft der Laden am besten. Doch auch wenn sich mal mehrere Käufer auf den Füssen rumstehen – Agatha bleibt die Ruhe in Person. Sie ist auf Laufkundschaft angewiesen, auf Gelegenheitskäufe wie Biscuits, Sekundenkleber, Süsswaren oder Seife. Zwar bietet sie etwa 150 sorgfältig aufgereihte Produkte an, doch für einen Grosseinkauf ist der Laden zu klein. Zudem gibt’s kein Gemüse, keine Früchte – quasi ein afrikanischer Tankstellenshop.

Welches Produkt sich am besten verkauft, weiss Agatha nicht. Wahrscheinlich die Wasserbeutel. Gefiltertes «Pure Water» ist in Ghana an jeder Ecke zu haben. Man beisst eine Ecke des Beutels auf und drückt sich den halben Liter in den Mund. Günstig und praktisch. Das Wasser wird jeweils angeliefert. Andere Sachen kauft Agatha in grossen Mengen auf den Märkten Accras – Kaneshie und Makola.

Die meisten Produkte stammen von internationalen Konzernen: Coca-Cola, Unilever, SABMiller, Nestlé. Viele Produkte werden in der Region hergestellt, vor allem in Nigeria, Ghana und der Elfenbeinküste, wo Konzerne wie Nestlé eigene Fabriken oder Abfüll-Anlagen besitzen. Besonders beliebt sind kleine Portionen – einzelne Suppenwürfel oder ein Briefchen Waschpulver etwa. Darauf haben sich die Konzerne längst eingestellt.

Abends um halb fünf hält ein Taxi vor Agathas Laden, ein Dreikäsehoch in Schuluniform steigt aus. Es ist Agathas Sohn – der Taxifahrer holt ihn täglich von der Schule ab und bringt ihn zum Container.

Plötzlich krabbelt etwas hinter dem Tresen hervor. Das Töchterchen ist erwacht. Vor und nach der Geburt im letzten Jahr blieb der Container geschlossen – Agatha war nicht da. Sie hat gefehlt an der ruhigen Strassenecke in Dzorwulu.

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