Afrikas Herrscher greifen gerne auf westliche Kommunikationsberater zurück. Deren Tun kann dort aber andere Folgen haben als im Westen.
Die Aussagen bergen Zündstoff: «Wir haben das Parteiprogramm geschrieben, Forschung und Analysen gemacht. Wir schrieben alle Reden und haben die ganze Sache inszeniert.» Geht es nach Mark Turnbull, Geschäftsführer von Cambridge Analytica, hat die Firma quasi im Alleingang eine Partei durch die Wahlen geführt. Zumindest sagte er das vor den versteckten Kameras des britischen Channel 4. Zudem sei die Partei mit neuem Namen und Logo versehen worden.
Düstere Wahlpropaganda in Kenia 2017 (Videoausschnitt).
Die Partei, das ist kein Geheimnis in Kenia, ist die Jubilee-Partei des Präsidenten Uhuru Kenyatta. Bereits zum zweiten Mal war bei den Wahlen 2017 die britische PR-Firma mit an Bord. Erneut gewann Kenyatta. Im Jahr 2013 entwickelte man eine Kampagne entlang der «Bedürfnisse (Arbeit) und Ängste (ethnische Gewalt) der Bevölkerung», wie es auf der Website von Cambridge Analytica heisst.
Opposition verunglimpft
Auch 2017 wurden wieder Ängste geweckt. Die Website «The Real Raila» verunglimpfte Oppositionsführer Raila Odinga. Tiefpunkt war ein düsteres Video, in dem behauptet wird, ein Präsident Odinga würde das Parlament auflösen, Notrecht einführen und es käme zur Vertreibung ganzer Ethnien. Dazu schauen traurige Kinderaugen in die Kamera.
Die Organisation Privacy International hat die Kampagne untersucht. «Wir erwarteten, dass Cambridge Analytica dahintersteckt, landeten aber bei der amerikanischen Firma Harris Media», sagt Lucy Purdon von der NGO. Die Website der Online-Kampagnen benutzte dieselbe IP-Adresse wie Harris Media.
Vermutlich haben die beiden Firmen zusammengearbeitet. Entsprechend ihrem Portfolio erledigte Cambridge Analytica eher die analytische Arbeit im Hintergrund, Harris Media fuhr die Kampagne in den sozialen Netzwerken. Die Videos wurden via Facebook und Google-Anzeigen verbreitet und hunderttausendfach angeschaut.
Mehr Kommunikationsberater in Afrika
Kenias Regierungspartei reagierte auf die neuen Enthüllungen mit Schweigen. Einzig der Vizevorsitzende David Murathe gab gegenüber Reuters eine Zusammenarbeit mit Cambridge Analytica zu. Die Opposition fordert eine Untersuchung. Doch die Firma hat vermutlich nichts Verbotenes gemacht.
Der Politik-Professor Nic Cheeseman von der Universität Birmingham zweifelt gar daran, dass Kenyas Wahlen gezielt beeinflusst wurden. Mithilfe detaillierter Personeninformationen hätte man nuancierte Mitteilungen an bestimmte ethnische Gruppen senden können. Doch genau das sei nach seinen Untersuchungen nicht geschehen, erklärte der Afrika-Experte Cheeseman gegenüber der BBC. «Was in Kenia passierte, das war wohl ganz normale Polit-PR.»
Die Präsenz westlicher Kommunikationsberater hat in den vergangenen Jahren in Afrika stark zugenommen. Negativbeispiele gibt es zuhauf:
- Nigeria: Ein Oligarch soll SCL, die Mutterfirma von Cambridge Analytica, 2015 beauftragt haben, eine Kampagne gegen den damaligen Oppositionskandidaten Muhammadu Buhari zu fahren, so der britische «Guardian». Im Laufe dieser Kampagne habe Cambridge Analytica mit gestohlenen Daten von Oppositionellen arbeiten wollen. Die Firma dementiert den Datendiebstahl.
- Südafrika: Die britische Firma Bell Pottinger sorgte 2017 für einen Skandal. Angeheuert von den Gupta-Brüdern, den zweifelhaften Freunden des damaligen Präsidenten Zuma, sollte sie von Korruptionsvorwürfen ablenken. Das Unternehmen steuerte den öffentlichen Diskurs in Richtung weisse Geschäftsleute, indem die Firma den rassistischen Begriff «white monopoly capital» prägte. Als dies öffentlich wurde, sprangen viele Kunden ab, die Firma musste Konkurs anmelden.
- Ägypten: Die amerikanische Firma Weber Shandwick lobbyierte im Auftrag der Regierung und spannte dafür im vergangenen Jahr auch mit dem ägyptischen Geheimdienst zusammen. Nach Bekanntwerden beendete Weber Shandwick die Zusammenarbeit. Eine damalige Tochterfirma macht noch immer PR für Ägypten.
Meinungsforschung, politische Analyse und Kommunikationsberatung sind nichts Unethisches. Heikel wird es, wenn die Methoden illegal sind. Wenn die Zusammenarbeit autokratischen Regimen hilft. Oder wenn diese Werkzeuge dazu benutzt werden, Emotionen und Ängste zu schüren.
Der kenianische Menschenrechtler John Githongo sagt: «Wir leben in einem hoch polarisierten Land mit Gräben zwischen ethnischen Gruppen.» Wahlen in Kenia führten immer zu Toten. «Firmen wie Cambridge Analytica sind sich der Tragweite ihres Tuns nicht bewusst», so Githongo. Doch er nimmt auch die afrikanischen Machthaber nicht aus der Verantwortung: «Unsere Eliten wollen an der Macht bleiben, und sie haben die Ressourcen dafür.» Wenn wie im Fall von Cambridge Analytica bewusst mit Ängsten und Ressentiments Wahlkampf betrieben wird, dann ist dies im afrikanischen Kontext noch heikler als sonst.
Dieser Artikel erschien am 23. März 2018 in der Neuen Zürcher Zeitung.