Burundi stimmt diesen Donnerstag über ein Verfassungsreferendum ab. Ein Ja würde dem Machthaber Nkurunziza erlauben, weitere 16 Jahre im Amt zu bleiben – bis 2034. Die Medien schauen derweil grösstenteils aus dem Ausland zu

Burundis unabhängigste Radiostation sendet aus dem Nachbarland Rwanda. Jeden Morgen trifft sich Alexandre Niyungeko mit seiner Redaktion in einer Vierzimmerwohnung in der Hauptstadt Kigali. Der Hüne Niyungeko ist der Chef von Radio Inzamba. Das Studio befindet sich in einer Abstellkammer, die mit dunklen Tüchern isoliert ist. Das Wohnzimmer dient als Grossraumbüro für die 20 Journalisten.
Widerstand aus dem Exil
Radio Inzamba erreicht sein Publikum in Burundi via Internet. «Es ist natürlich ein Handicap, nicht über UKW zu senden», gesteht Niyungeko. Doch wenn einmal eine Sendung ausfalle, zeigten die Reaktionen, dass das Interesse gross sei. In Burundi beschäftigt Radio Inzamba nur einige anonyme Korrespondenten. Der Grossteil der Arbeit wird im Exil geleistet.
Seit 2015 sind über hundert Journalisten ins Ausland geflüchtet. Damals kam es in Burundi zu Protesten gegen die Regierung, der Staat liess unabhängige Medien schliessen. Nach einem misslungenen Putschversuch gegen Präsident Pierre Nkurunziza nahm die Repression gegen Journalisten noch zu.
Auch vor dem Verfassungsreferendum am Donnerstag geht die Regierung wieder gegen unabhängige Medien vor. Die Radiosender der BBC und von Voice of America sind derzeit suspendiert. Die neue Verfassung ist umstritten. Sie erlaubt dem 54-jährigen Präsidenten, bis 2034 im Amt zu bleiben. Alles andere als ein Ja an der Urne wäre eine Überraschung. Die Opposition glaubt nicht an eine freie und faire Wahl. Doch wer zum Boykott des Referendums aufruft, dem droht Gefängnis.
Vor dem Urnengang haben die EU und die USA die Gewalt gegen die Opposition verurteilt. Der Jugendflügel der Regierungspartei geht in Burundi gewalttätig gegen missliebige Stimmen vor. Beobachter fürchten, dass die Abstimmung zu zusätzlichen Auseinandersetzungen führen könnte. Am vergangenen Wochenende überfielen bewaffnete Männer ein Dorf an der Grenze zu Kongo. Die Angreifer metzelten 26 Frauen, Männer und Kinder nieder. Der Staat spricht von einem terroristischen Akt. Die Hintergründe aber sind unklar.
Eine afrikanische Theokratie
Ein Ja zum Referendum würde die Macht von Präsident Nkurunziza zementieren. Dieser führt den Staat seit 2005 nun in der dritten Amtszeit, was die Verfassung eigentlich nicht erlaubt. Nkurunziza tritt gerne im Adidas-Trainingsanzug auf – so auch letzte Woche beim Abholen seiner Wahlkarte. Er ist gelernter Sportlehrer und Fussballtrainer, sein Klub heisst FC Hallelujah. Denn Nkurunziza sieht sich als wiedergeborener Christ, seine Frau ist Pastorin. Im April hat ihn seine Partei zudem mit dem Titel «Ewiger Führer» ausgestattet.
Es ist wohl nicht falsch, Burundi als Theokratie zu betrachten. Das ostafrikanische Land ist heute international isoliert und fühlt sich missverstanden. Im Herbst 2017 verliess man den Internationalen Strafgerichtshof. Dieser ermittelt nun trotzdem gegen Mitglieder des Staatsapparates wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Antoine Kaburahe ist Chefredaktor der Wochenzeitung «Iwacu». Seine Redaktion führt er vom Laptop aus, via E-Mail und Whatsapp-Messenger. «Als Chef wäre mein Platz nicht hier in Brüssel, sondern bei meinem Team in Bujumbura», sagt der 52-Jährige am Telefon. Im Herbst 2015 floh Kaburahe ins Exil, nachdem gegen ihn wegen Beteiligung am Militärputsch ermittelt worden war.
Kaburahe freut sich, dass sein Magazin in Burundi noch immer existiert, zugleich ist er besorgt um seine Kollegen. Im Juli vor zwei Jahren verschwand ein Journalist der Zeitung spurlos. «Ich fühlte mich schuldig und habe meiner Redaktion gesagt: ‹Wenn ihr das Gefühl habt, es sei zu gefährlich, dann hört auf.›» Doch sie wollten weitermachen. «Sie sind Helden, ich bin stolz auf sie.»
«Todesurteil für den Frieden»
Burundi ist eines der ärmsten Länder der Welt, die Arbeitslosigkeit ist hoch. Der Urnengang sei für viele Menschen sekundär, solange kein Essen auf dem Tisch stehe, erklärt Kaburahe. Die wirtschaftliche Misere, verbunden mit der politischen Repression, führte dazu, dass in den letzten drei Jahren über 400 000 Burundier aus dem Land geflohen sind. Die meisten halten sich in den Nachbarländern auf.
«Das Referendum ist nicht sekundär», widerspricht indes der Radiomann Niyungeko. Es bedeute das Todesurteil für das Arusha-Friedensabkommen aus dem Jahr 2000. Das Abkommen beendete einen Bürgerkrieg und sorgte für eine ausgewogene Vertretung der Volksgruppen Hutu und Tutsi in öffentlichen Stellen. Präsident Nkurunziza ist ein Hutu. Mit der Verfassungsänderung könnte er 29 Jahre an der Staatsspitze bleiben. Die Macht würde nicht mehr geteilt, weshalb sich die Tutsi-Opposition hintergangen fühlt. «Ich weiss nicht, wieso Nkurunziza dies tut.» Nyungeko schüttelt den Kopf. Der Präsident sei doch noch jung, er habe Kinder. «Was will er ihnen für ein Erbe hinterlassen?»
Den beiden burundischen Journalisten hat das Exil zugesetzt. Antoine Kaburahe fühlt sich oft müde in Brüssel. Er sehnt sich nach dem warmen Klima Burundis. Auch Alexandre Niyungeko würde gerne zurückkehren. Am meisten vermisse er die Mutter, gesteht der Hüne mit den breiten Schultern. Als vor zwei Jahren sein Vater starb, konnte er der Beerdigung nicht beiwohnen. Er hätte in dieser schwierigen Zeit gerne seine Mutter unterstützt, erzählt er. Dann bricht seine Stimme.
Dieser Artikel ist am 16. Mai 2018 in der Neuen Zürcher Zeitung erschienen.
Bei der Recherche habe ich übrigens Pierre Nkurunzizas Unterschrift entdeckt. Zumindest sah sie vor acht Jahren so aus…