Die Emirate und Katar exportieren ihren Streit nach Somalia. Das vergrössert die Gräben im ostafrikanischen Land.
James Bond lässt grüssen: Ein Flugzeug aus Abu Dhabi bringt drei Koffer nach Somalia. Der Botschafter der Emirate will die fraglichen Gepäckstücke nicht scannen lassen am Ausgang des Flughafens – er bringt die Koffer zurück zum Flugzeug. Doch die Somalier ziehen ihre Waffen und konfiszieren die Koffer. Darin finden sie Bargeld im Wert von rund zehn Millionen Franken.
Diese Szene vom April zeigt das zerrüttete Verhältnis zwischen Somalia und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Somalia behauptete, das Geld hätte dazu gedient, den Staat zu unterminieren. Laut den Emiraten hingegen sollten damit die Löhne von somalischen Soldaten bezahlt werden. Welche Version stimmt, ist unklar.
Geostrategisch begehrte Häfen
Das ostafrikanische Somalia ist nicht bloss ein «failed state», der am Tropf der Geber hängt. Aufgrund seiner geografischen Lage und des wirtschaftlichen Potenzials interessieren sich islamische Staaten stark für das Land am Horn von Afrika. Besonders aktiv sind seit einigen Monaten die zerstrittenen Golfmonarchien Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate.
Vor gut einem Jahr versuchten die Emirate mit saudischer Unterstützung, Katar wegen «Terrorfinanzierung» international zu isolieren. Seither sind die Nachbarn verfeindeter denn je. «In Somalia entwickelt sich daraus ein Stellvertreterkrieg», warnt Matt Bryden von der regionalen Denkfabrik Sahan Research. Katar steht der Zentralregierung in Mogadiscio nahe, die Emirate unterstützen die föderalen Gliedstaaten und Somaliland, das sich für unabhängig erklärt hat. Die Zentralregierung um Präsident Mohammed Abdullahi Mohammed gibt sich zwar neutral. Doch es ist kein Geheimnis, dass sie Katar nahesteht. Doha hat angeblich den Wahlkampf des Präsidenten mitfinanziert. Die Katarer bezahlen zudem den Bau von Schnellstrassen und Regierungsgebäuden. Auch die mit Katar verbündete Türkei unterstützt die Regierung mit Budgethilfen und indem sie Hafen und Flughafen von Mogadiscio betreibt.
Konkurrenz bei Häfen und Militär
Somalias Lage macht das Land attraktiv für die Schifffahrt. Die Vereinigten Arabischen Emirate betreiben den Hafen in Somaliland, der auch als Tor zu Äthiopien dient. Der Hafenbetreiber DP World aus Dubai wurde rasch zum wichtigsten Arbeitgeber in der Republik. Die somalische Regierung hat DP World nun jegliche Aktivitäten auf ihrem Territorium untersagt.
Die Golfstaaten helfen in Somalia beim Aufbau von Sicherheitskräften, ziehen jedoch nicht am selben Strick. Katar unterstützt das somalische Militär. Die Emirate haben ihre Unterstützung für die Armee eingestellt, sie unterstützen nun etwa Puntlands Maritime Police Force. Diese ist zwar wichtig für die Stabilität des föderalen Gliedstaates, doch die lokalen Sicherheitskräfte arbeiten nicht mit der nationalen Armee zusammen. Das erschwert den Plan, die afrikanischen Amisom-Schutztruppen bald aus Somalia abzuziehen. Denn laut Transitionsplan sollten die föderalen Sicherheitskräfte die Rolle von Amisom übernehmen. Das nationale Militär ist in den Gliedstaaten nicht willkommen.
Nicht zuletzt spielt auch in Somalia die religiöse Ausrichtung der Unterstützer mit. Die Türkei und Katar würden etwa die konservative Muslimbruderschaft unterstützen, so der Vorwurf aus den Emiraten.
Nutzniesser des Golfkonflikts
Machtkämpfe zwischen regionalen und nationalen Kräften, zwischen Clans und religiösen Gruppierungen haben in Somalia Tradition. Durch die Unterstützung der Golfstaaten akzentuieren sich diese Konflikte. Die renommierte Denkfabrik International Crisis Group schrieb in einem Bericht vergangene Woche, die Feindschaft zwischen Mogadiscio und den regionalen Regierungen sei so gross wie lange nicht mehr.
Nutzniesserin könnte die mit der Kaida verbandelte Terrormiliz al-Shabab sein. Der langjährige Somalia-Kenner Bryden sagt: «Mogadiscios zentralistische Politik verhindert, dass die föderalen Staaten genügend Hilfe erhalten, um al-Shabab effizient zu bekämpfen.»
Derzeit sehe es auch nicht danach aus, dass einer der beiden Golfstaaten das Seilziehen um Somalia gewinnen werde: «Katar ist zwar für die Zentralregierung ein verlässlicher Partner, doch die Vereinigten Arabischen Emirate dominieren mit den regionalen Regierungen praktisch den ganzen Staat – ausser der Hauptstadt.»
Somalisches Schattentheater
Die Situation in Somalia muss nicht zwingend eskalieren, doch sie ist verfahren. Zwar riefen sowohl die Afrikanische Union als auch die EU zu Vermittlung auf. Doch die internationale Gemeinschaft steht dem Golf-Powerplay in Somalia hilflos gegenüber. Die Staaten aus dem Nahen Osten agieren unilateral und legen ihre finanzielle Unterstützung nicht offen. Das wird in Diplomatenkreisen als problematisch empfunden, denn es verunmöglicht eine koordinierte Zusammenarbeit der Geldgeber.
Dazu kommt, dass die somalische Politik von aussen kaum zu durchschauen ist. «Es bilden sich immer wieder unerwartete Allianzen», so Bryden. Ein westlicher Diplomat vergleicht Somalia mit einem Schattentheater: «Wir westlichen Zuschauer wohnen einer Aufführung bei, doch was hinter den Kulissen geschieht, zwischen den somalischen Clans, bleibt uns oft verborgen.» Das Drama am Horn von Afrika geht mit der Feindschaft der Golfstaaten in eine weitere Spielzeit.
Dieser Artikel erschien in der Neuen Zürcher Zeitung am 19. Juni 2018.