Freispruch für eine mutige Frau in Ruanda

Wichtiger Erfolg für die Kagame-Kritikerin Diane Rwigara. Die Oppositionelle wurde freigesprochen. Sie war der Aufwiegelung angeklagt gewesen, nachdem sie eine politische Bewegung gegründet hatte.

Diane Rwigara nach dem Freispruch im Gerichtssaal. (via @umuseke)

So viel Jubel und Gesang im Gerichtssaal in Kigali gibt es nicht alle Tage. Soeben wurden die Oppositionspolitikerin Diane Rwigara und ihre Mutter Adeline in allen Anklagepunkten freigesprochen. Lauthals freuen sich Freunde und Anhänger über das unerwartete Urteil. Die 37-jährige Rwigara war angeklagt, zum Aufstand aufgerufen zu haben. Ausserdem solle sie Unterschriften gefälscht haben, um 2017 als Präsidentschaftskandidatin antreten zu können. Die Staatsanwaltschaft forderte 22 Jahre Haft.

Die Oppositionelle Rwigara gilt als eine der schärfsten Kritikerinnen von Ruandas Präsidenten Paul Kagame und seiner Partei. Ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahl vergangenes Jahr wurde für ungültig erklärt. Einige der 600 Unterschriften, die für die Kandidatur nötig sind, waren laut Wahlkommission gefälscht. Die Staatsanwaltschaft warf Rwigara vor, diese Unterschriften selbst gefälscht oder zumindest von deren Fälschung gewusst zu haben.

Anklage der Staatsanwaltschaft ohne Beweise

Nach der verwehrten Teilnahme an den Wahlen gründete Rwigara eine politische Bewegung, das People Salvation Movement. An der Medienkonferenz zur Lancierung sprach sie offen von vom Staat angeordneten Morden: «Jeder kennt jemanden, der verschwunden ist, der getötet wurde.» Rwigaras Vater starb unter ungeklärten Umständen bei einem Verkehrsunfall, er gehörte einst Ruandas Machtelite an. Einer ihrer Assistenten ist vor zwei Jahren spurlos verschwunden.

Das Gericht zerpflückte am Donnerstag die Anklage. Ihm fehlten Beweise, etwa zum Vorwurf der Unterschriftenfälschung. Rwigaras öffentliche Aussage, Ruandas Macht und Reichtum befänden sich in den Händen weniger wichtiger Parteimitglieder, reicht laut Gericht nicht aus, um die Öffentlichkeit aufzuwiegeln. Ihre Mutter Adeline Rwigara wurde freigesprochen, weil sie sich bloss in einer privaten Whatsapp-Unterhaltung geäussert hatte. Die Anklage der Staatsanwaltschaft sah ziemlich schwach aus.

Das ostafrikanische Ruanda gilt als Musterstaat, was Stabilität und wirtschaftliche Entwicklung angeht. Präsident Kagame führte das Land nach dem Genozid von 1994 auf einen konstanten Wachstumspfad. Doch ihm wird vorgeworfen, faktisch einen autoritären Einparteistaat zu führen. Vergangenes Jahr wurde der Präsident mit 98 Prozent der Stimmen wiedergewählt, eine ernsthafte Opposition gibt es nicht. Zweifellos besitzt Kagame ein grosses Arsenal an Möglichkeiten, um Kritiker im Land mundtot zu machen.

Mehr Toleranz in Ruanda?

Der Freispruch von Rwigara ist ein positives Signal. Er kann als Schritt hin zu mehr Toleranz gegenüber Andersdenkenden in Ruanda gedeutet werden. Bereits im September wurde die Oppositionelle Victoria Ingabire vom Präsidenten begnadigt – sie war wegen Gründung einer bewaffneten Organisation verurteilt worden. Doch diese beiden Ereignisse bleiben vorerst Einzelfälle. Und mit dem Freispruch von Rwigara wurde auch klar, dass es eigentlich gar nie zu einem Verfahren gegen sie hätte kommen dürfen.

Diane Rwigara ist eine Frau, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Sie wird ein Stachel im Fleisch der rwandischen Regierungspartei bleiben. Ihre Bewegung solle weiterleben, sagte sie nach dem Gerichtstermin. Und schon zuvor rief sie die afrikanische Jugend dazu auf, gegen alte Staatsführer zu demonstrieren, die sich an die Macht klammerten. «Niemand wird kommen, um uns zu befreien», so Rwigara gegenüber der Nachrichtenagentur AP. «Wir Jungen müssen es selbst in die Hand nehmen.»

 

Jubel im Gerichtssaal:

 

Dieser Artikel erschien am 7. Dezember 2018 in der Neuen Zürcher Zeitung.

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