Ouattara auf gefährlichem Pfad

Die Elfenbeinküste bleibt instabil – doch der Westen schaut weg.

Zwei Jahre nach der Wahlkrise kommt die Elfenbeinküste nicht zur Ruhe. Im Land kam es 2012 zu wiederholten Anschlägen. Ziel waren staatliche Einrichtungen, Polizei, Militär, ein Kraftwerk. Und Experten der UNO warnen: auch ausserhalb des Landes (besonders in Ghana) würden sich Kräfte formieren, die eine Destabilisierung des westafrikanischen Staates zum Ziel hätten.

Vor zwei Jahren fanden die Präsidentschaftswahlen statt, nach denen das Land in eine Krise mit blutigen Auseinandersetzungen abrutschte. Unterdessen ist Präsident Alassane Ouattara eineinhalb Jahre an der Macht. Er konzentriert sich darauf, Wirtschaft und Institutionen wiederaufzubauen.

damana pickassDoch die Anhänger des vorherigen Präsidenten Laurent Gbagbo beklagen: Ouattara mache nicht ernst mit der angekündigten Versöhnung. Und auch Organisationen wie Human Rights Watch und International Crisis Group kritisieren den Präsidenten und dessen Anhängerschaft.

Es wäre an der Zeit, dass Frankreich und die internationale Gemeinschaft in der Elfenbeinküste nicht nur ihre wirtschaftlichen Interessen verfolgen, sondern hinschauen und Druck ausüben, auf dass die ivorische Justiz nicht eine Siegerjustiz bleibt.

Ich habe einen Anhänger des früheren Präsidenten Gbagbo im Exil in Ghana getroffen.

Dieser Beitrag wurde am 30. Dezember 2012 im «Echo der Zeit» von Schweizer Radio und Fernsehen SRF ausgestrahlt. „Ouattara auf gefährlichem Pfad“ weiterlesen

Erbsenzählerei der Opposition

Die Wahlen in Ghana haben ein Nachspiel. Die Oppositionspartei NPP hat beim obersten Gericht Beschwerde eingereicht.

Endlich wird wahr, was die NPP drei Wochen lang angekündigt hat: sie ficht die Wiederwahl von Präsident Mahama (NDC) an. Insgesamt 1.34 Millionen Stimmen (12% aller Stimmen) seien irregulär, so die Opposition, das könne man vor Gericht beweisen. Würde man diese irregulären Stimmen nicht in Betracht ziehen, wäre NPP-Kandidat Nana Akufo-Addo gewählt, erklärte sein Vize Mahamudu Bawumia.

Beispiele für Unregelmässigkeiten legte die NPP an einer Medienkonferenz vor. Der genaue Inhalt der Klageschrift von gestern Freitag gegen das Wahlresultat ist indes weiterhin nicht bekannt. Journalisten konnten nach der Medienkonferenz keine Fragen stellen. Dies sind Hinweise darauf, dass die Klage der NPP auf einem schwachen Fundament steht.

Die hohe Zahl der irregulären Stimmen mag auf den ersten Blick erschrecken. Doch leider bleibt unklar, wie die NPP zu ihren Angaben kommt. Die Grundfrage ist: Wurde systematisch betrogen oder sind es bloss Ungenauigkeiten und Flüchtigkeitsfehler auf den pinken Resultatblättern? „Erbsenzählerei der Opposition“ weiterlesen

Prepper und der Untergang unserer Zivilisation

Für einmal ein ganz anderes Thema: Schweizer, die sich auf Krisen und Katastrophen vorbereiten.

Sei es das Ende des Mayakalenders, ein Sturm, ein Erdbeben oder ein Atomunfall: Die so genannten Prepper sind vorbereitet auf den Untergang.

Sie denken in Krisenszenarien und planen das Einbunkern zuhause oder die Flucht in den Wald. Nichts kann sie überraschen. Was Prepper bewegt, wie sie denken und wohin das führen kann, habe ich in einer «Kontext»-Sendung dargestellt.

Diese Sendung wurde am 18.12.2012 von SRF 2 Kultur ausgestrahlt. Leute zu finden, die Auskunft geben, war nicht einfach. Wer in seinem Keller Lebensmittel hortet, möchte nicht, dass andere Leute das erfahren. Zudem riskiert man rasch, als Spinner abgestempelt zu werden. Nach zwei Monaten und dutzenden Kontaktversuchen gelang es mir, zwei Prepper für Audio-Aufnahmen zu finden.

Wer sich nicht die ganze halbstündige Sendung anhören möchte, kann auch die Online-Kurzversion lesen.

ACHTUNG: Ich erhalte noch immer Anfragen nach den Kontakten der porträtierten Preppern. In Absprache mit den beiden leite ich keine Nachrichten mehr weiter.

Ghanas Präsident Mahama im Amt bestätigt

Ghanas Wahlkommission hat den Amtsinhaber Mahama zum Sieger der Präsidentenwahl vom Freitag erklärt. Die Partei des Wahlverlierers sprach von Fälschungen und behauptete, diese auch beweisen zu können.

Feier im NDC-HauptquartierDie ghanesische Wahlkommission hat am Sonntagabend das Resultat der Präsidentenwahl verkündet. Demnach entfielen auf Präsident John Dramani Mahama vom National Democratic Congress (NDC) 50,7 Prozent der Stimmen. Sein Herausforderer Nana Akufo-Addo von der New Patriotic Party (NPP) erreichte 47,7 Prozent. Noch am Montag tanzten Anhänger Mahamas auf den Strassen vieler Städte und feierten den Sieg ihres Idols. Doch die meisten Ghanesen gingen bereits wieder ihrer gewohnten Arbeit nach. Sie verfolgten höchstens am Fernsehen, wie Präsident Mahama der Wählerschaft für seinen Wahlsieg dankte und seiner Zuversicht Ausdruck verlieh, dass die Demokratie in Ghana weiterhin blühen werde.

Fälschungsvorwurf der NPP

Mahama profitierte vom Bonus des Präsidenten. Viele Wählerinnen und Wähler wollten nach vier Jahren NDC-Regierung nicht schon wieder einen Machtwechsel. Mahama gilt als bescheiden und bedächtig. Der Gegenkandidat Akufo-Addo hingegen agiert angriffiger, zudem wirkt er oft elitär. Gelegentlich wird ihm Arroganz vorgeworfen. Eine gewisse Arroganz vonseiten der Oppositionspartei manifestierte sich auch am Wahlwochenende. Bereits am Samstag – die Wahl war noch nicht überall beendet – hatte ein Sprecher der NPP den Sieg seiner Partei verkündet. Am Sonntag kritisierte die Partei die Wahlen als gefälscht. Sie boykottierte dann auch die offizielle Verkündigung des Ergebnisses. Am Montag versprach sie, schon bald Beweise für Wahlbetrug in über 20 von 275 Wahlkreisen vorzulegen.

«Fair und frei»

Ob diese «Beweise» stichhaltig sind und etwas am Endresultat ändern werden, blieb am Montag offen. Ausländische und ghanesische Beobachter beurteilten die Wahl als fair und frei. Benins Staatspräsident Boni Yayi, zurzeit Vorsitzender der Afrikanischen Union, gratulierte dem Land zu friedlichen und transparenten Wahlen. Er rief die Opposition dazu auf, das Resultat zu akzeptieren.

Ghana ist politisch weiterhin in zwei fast gleich grosse Lager gespalten. Entweder ist man Anhänger des NDC, oder man gehört dem Lager der NPP an. Doch während derartige Verhältnisse in anderen afrikanischen Ländern zu Pattsituationen oder Ausschreitungen führen, hat Ghanas Wählerschaft den Wahlausgang grösstenteils bereits akzeptiert. Wenn sich der vom politischen Gefecht aufgewirbelte Staub verzogen hat, dürfte auch die Opposition einlenken und ihre Niederlage akzeptieren. So zumindest liefen frühere Wahlen ab. Kleinere Zwischenfälle können nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch der sechste Urnengang in zwanzig Jahren von Transparenz geprägt war und friedlich über die Bühne ging.

Dieser Artikel erschien am 10. Dezember 2012 in der Neuen Zürcher Zeitung.
Zur Bezeichnung «Ghanesen»: Ich persönlich finde sie altbacken, die NZZ benutzt sie konsequent entsprechend der Rechtschreiberegel in ihrem «Vademecum».

Ghanas Mahama erster Facebook-Präsident

Der Amtsinhaber wurde wiedergewählt, die Opposition protestiert.

Der neue Präsident Ghanas ist der bisherige, Präsident Mahama gewann knapp vor seinem Herausforderer der Opposition, Nana Akufo-Addo.

Ghana gilt als Musterland in Westafrika – es waren die sechsten demokratischen Wahlen in Folge. Und weil die Website der Wahlkommission überlastet war, nutzte diese Social Media zur Bekanntgabe des Siegers.

Die Opposition will das offizielle Wahlresultat nicht anerkennen. Sie wird am Dienstag entscheiden, ob sie die Wahlen vor Gericht anfechten wird.


Dieser Beitrag wurde am 10. Dezember auf Schweizer Radio DRS gesendet. Hier der Facebook-Eintrag der Wahlkommission.

Ghanas Wahltag: Auszählen in Alajo

Die Wahlen vom Freitag sind noch nicht vorbei – Fingerabdruck-Scanner funktionierten nicht.

In Ghana fanden am Freitag Wahlen statt. Es ist die sechste demokratische Wahl in Folge im westafrikanischen Land – Parlament und Präsident werden neu gewählt. Ghana gilt als Musterland – was Demokratie betrifft. Und tatsächlich: so transparente Wahlen gibt’s wohl kaum irgendwo.

Hingegen haben die Fingerabdruck-Scanner an einigen  Orten nicht funktionert. Was nicht ganz unerwartet kommt – schaut man sich technische Geräte in Ghana an. Ein grosses Problem sollte dies jedoch nicht darstellen – es wird halt ein Tag später gewählt. Dies betrifft nur wenige Wahlbüros.

Mein Beitrag vom Wahlbüro Sem Cinema Hall in Alajo:

Dieser Beitrag wurde am 8. Dezember 2012 von Deutschlandfunk gesendet.

Hier noch das gemeinsame Auszählen der Stimmen:


Der Wahlmorgen in Alajo

Um sieben Uhr soll das Wahlbüro öffnen, eine Viertelstunde vorher stehen bereits mehrere hundert Leute Schlange. Die Wahlbüro-Mitglieder stellen ihre Tische, Stühle, die Wahlurnen und die Wahl-Boxen aus Karton auf. Um halb acht Uhr geht es schliesslich los.

Zuerst kommen Alte und Schwangere an die Reihe, dann der Rest. Gelegentlich kommt es zu kurzen und heftigen Diskussionen – doch irgendwer schlichtet immer. Vaida wartet seit ein Uhr nachts, nach der Wahl will sie wieder arbeiten gehen, deshalb stand sie früh an. Ahmed sieht die Wahl als Bürgerpflicht – danach geht er noch zur Moschee. Wer auch immer gewählt wird, Ahmed wird es akzeptieren, das sei Gottes Wille.

Ein Mann gibt vor, mit dem Chef der Wahlkommission zu telefonieren. Er beklagt sich, die Leute würden keine schöne Schlange formen, was allgemeine Heiterkeit auslöst. Später kommt tatsächlich die Polizei, wird von den Menschen hier bejubelt – und bringt Ordnung in eine der beiden Schlangen.

Wahlen in Ghana: Mahama wie Obama?

Präsidenten- und Parlamentswahlen in Ghana am 7. Dezember – eine weitere Vorschau.


Das Boot ist voll – NDC-Anhänger versuchen ein Parteiboot zu entern.

Albert Nyemeck ist sich sicher, dass Ghana das beste Land südlich der Sahara ist. «Wenn ich ein Land empfehlen müsste – es wäre Ghana», sagt der Kameruner Nyemeck, der viele Länder gesehen hatte, bevor er sich in Ghana mit seiner ivoirischen Frau niederliess. Sie betreiben die Bar «Chez Cynthia», ihre Gäste stammen aus dem frankofonen Afrika – und alle loben das stabile, demokratische Ghana.

Für seine Partei, den National Democratic Congress (NDC), und für sich selber hat der 54-jährige Präsident John Dramani Mahama sechs Wochen lang die Werbetrommel gerührt. «Gott sei Dank ist dies nun die letzte Wahlveranstaltung», gesteht er der Menge in Accra am Mittwoch. Im Juli hatte er, damals noch Vizepräsident, die Nachfolge des verstorbenen Präsidenten John Atta Mills angetreten. «Mahama wie Obama», ruft einer seiner Minister den euphorisierten Besuchern der Wahlveranstaltung zu – der Präsident soll wiedergewählt werden.

Ghanas Wirtschaft ist unter der Regierung des NDC gewachsen. Vor zwei Jahren begann Ghana, neben Kakao und Gold auch Erdöl zu exportieren. Korruption und Misswirtschaft sind im Vergleich zu andern afrikanischen Ländern bescheiden. Präsident Mahama könnte an seiner Wiederwahl allenfalls vom 68-jährigen Nana Akufo-Addo von der New Patriotic Party (NPP) gehindert werden. Die NPP ist die Partei der wirtschaftlichen Elite, sie steht für die freie Marktwirtschaft ein. In ihrer Zeit als Regierungspartei (2001–2009) hatte die NPP das Land effizient geführt, jedoch auch den Interessen ihrer mächtigen Mitglieder gedient, etwa mit der Senkung von Importsteuern. Der NDC hingegen gibt sich sozialdemokratisch. Doch die Parteiprogramme von NDC und NPP gleichen sich, beide Parteien wollen etwa die Landwirtschaft modernisieren und die Schulbildung stärken.

Der Ausgang der Wahl vom 7. Dezember ist offen, Mahama und Akufo-Addo liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Vor vier Jahren kam es zu einer Stichwahl. 0,2 Prozent der Stimmen gaben den Ausschlag. Ghana zeigte, dass es mit einem knappen Resultat umgehen kann. Auch diesmal verzichteten die Kandidaten auf Stimmungsmache. Ghana will seinem Ruf als Hort der Stabilität gerecht werden. Damit hebt es sich von anderen Ländern der Region ab. Es ist ein bevorzugtes Ziel für Investoren. Und für Einwanderer, die in der Bar «Chez Cynthia» unbehelligt ihr Feierabendbier trinken können.

Dieser Beitrag erschien am 7. Dezember 2012 in der «Neuen Zürcher Zeitung».